KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz
von Christfried Boelter
Schloss und Park Reinhardsbrunn
Ein fünfjähriger Gerichtsprozess durch die Instanzen zwischen Besitzern und dem Freistaat Thüringen hat deutsche Rechtsgeschichte geschrieben: Enteignung eines Denkmals wegen akuter Gefährdung von wichtigem Kulturgut und so gefordert im Denkmalschutzgesetz des Landes.
Es gehörte Mut und Durchhaltevermögen dazu, diesen Weg zu gehen. Zwei bemerkenswerte Gründe für den Erfolg waren das bürgerschaftliche Engagement und die parteiübergreifende Zusammenarbeit der politisch Verantwortlichen.
Und es ist nicht einmal das heutige Schloss mit seinem Landschaftspark, dem besondere Bedeutung zukommt, sondern es ist die Kulturspur, auf die das heutige Ensemble verweist.
In Reinhardsbrunn stand einst das wichtigste Kloster in ganz Mitteldeutschland, Hauskloster und Grablege der Thüringer Landgrafen – eine Benediktinerabtei, gegründet 1085 von Mönchen aus Hirsau im Schwarzwald und verpflichtet den Grundsätzen der Hirsauer Klosterreform. Klosterschule, Klosterbibliothek, Chronik und Grablege der Ludowinger ließen das Kloster immer mehr zum Mittelpunkt wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Entwicklung werden.
Das bekam nochmal seinen besonderen Impuls durch Elisabeth von Thüringen, die von der Wartburg aus oft nach Reinhardsbrunn zu den Gräbern der Ahnen pilgerte, um hier zu beten, und die schließlich 1227 zusammen mit ihrem geliebten Mann Ludwig IV. im Kloster aufbrach zum Kreuzzug, um wenigstens noch ein Stück des Weges bei ihm zu sein und sich dann in Schmalkalden von ihm verabschieden zu müssen. Ein Abschied für immer, denn Ludwig kam nur bis Süditalien, dort erlag er mit 27 Jahren einer Seuche. Die Thüringer Kreuzfahrer bestatteten ihn bei Otranto und nahmen auf dem Rückweg die Gebeine mit nach Reinhardsbrunn, wo ihn Elisabeth im Hauskloster bestattete. Ludwig wurde schnell im Volk als ›Ludwig der Heilige‹ verehrt, an seinem Grab ereigneten sich zahlreiche Heilungswunder. So wurde das Kloster bis zur Reformation einer der wichtigsten Wallfahrtsorte.
Seitdem Schloss Reinhardsbrunn – das auf den Grundmauern des Klosters steht und dessen originale Keller aus der Bauzeit noch vorhanden sind – in Landesbesitz ist, haben Bodenradar-Untersuchungen die Grundrisse der alten Klosterkirche wiederentdeckt und es ist geplant, diese Spuren am 11.9. zu präsentieren.
Der Tag des offenen Denkmals® wird in diesem Jahr in Reinhardsbrunn in besonderer Weise begangen, zusammen mit der Landesregierung, mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Landkreis Gotha, der an diesem Tag seinen Denkmalpreis verleiht. Ein Konzert der Thüringen Philharmonie mit Werken in Bezug zu Reinhardsbrunn wird den Denkmaltag abrunden.
Und noch eine weitere Kulturspur verbindet sich mit dem Ort. Vor 500 Jahren hat Martin Luther auf der Wartburg in nur 66 Tagen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt, eine beeindruckende Kulturleistung und die Grundlage unserer heutigen Hochsprache. Luther war als Junker Jörg mehrfach im ehemaligen Hauskloster der Thüringer Landgrafen zu Gast und es wird berichtet, wie die Mönche sich gewundert hätten über den gelehrten Rittersmann und sein Interesse an den deutschen Sprachübungen der Klosterschule.
Auch hier kann der Denkmalschutz noch manche Kulturspur freilegen, gerade wenn man bedenkt, dass damals nur wenig später im Jahr 1525 durch das Wüten der Bauern Bibliothek und Inneneinrichtung der Klosterkirche völlig verwüstet wurden.
Seit einem Jahr wird an Schloss und Park Reinhardsbrunn gearbeitet. Manches ist schon geschafft, und gerade ersteht der Schlosspark wieder in alter Schönheit. Auch die fast vergessenen Glanzlichter des Parks erfahren neue Aufmerksamkeit.
Wer weiß schon noch, dass sich im Park einer der ältesten Japanischen Gärten Deutschlands befindet? Parallel zur Parksanierung wird an einem Nutzungskonzept für das Schloss gearbeitet.
Die Stadt Friedrichroda, zu der Reinhardsbrunn gehört, ist heilklimatischer Kurort und macht sich stark für das Naturheilverfahren nach Sebastian Kneipp mit seinem Schwerpunkt seelische Gesundheit. Reinhardsbrunn als jahrhundertealter Heilungsort könnte für die Kurstadt neue Akzente setzen.
Die Nutzung der Schlosskapelle für Tagungen, Konzerte, Lesungen, aber auch für Gottesdienste und Trauungen ist geplant. Sie soll zum Tag des offenen Denkmals® 2023 wieder eingeweiht werden.
Für Denkmalschutz und die Freilegung von Kulturspuren ist das bürgerschaftliche Engagement von herausragender Bedeutung. Der Reinhardsbrunner Verein Kirche und Tourismus e.V. hat als direkter Nachbar des Schlosses seit 20 Jahren mit zunehmendem Entsetzen den Niedergang von Schloss und Park miterlebt.
Nach dem Abschied der besitzenden Hotelkette und dem Verkauf gab es nur noch Vandalismus, Diebstahl und Verfall. Statt zu investieren, wurde eine millionenschwere Schuld im Grundbuch eingetragen. So hat Kirche und Tourismus e.V. 2011 zur Gründung eines Fördervereins eingeladen, 80 Mitglieder aus Friedrichroda und Umgebung wollten nun etwas tun gegen diese kulturelle Katastrophe.
Durch Leidenschaft und Unterstützung der Medien gelang es, Schloss Reinhardsbrunn zur Chefsache der Landesregierung zu machen, verantwortet zunächst von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und dann von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Ein gelungenes Beispiel für das Miteinander auch über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg.
Ein Rechtsgutachten zeigte den Weg: Die einzige Möglichkeit für den Freistaat ohne die Grundschuld zu begleichen war die Enteignung des Schlosses mit seiner für die Landesgeschichte so bedeutenden Vorgeschichte. Nach dem gewonnenen Verfahren 2021 und damit Erreichung eines der Hauptziele des Fördervereins hat dieser Anfang Mai 2022 beschlossen, sich aufzulösen und alle Kräfte für die Beteiligung an der weiteren Entwicklung von Park und Schloss bei Kirche und Tourismus Reinhardsbrunn e.V. zu bündeln. Die Stimme der Basis bleibt unverzichtbar auch bei allen Überlegungen zur künftigen Nutzung.
Der Denkmalschutz wird noch viele Jahre den Kulturspuren von Reinhardsbrunn nachgehen: 500 Jahre Klostergeschichte, 500 Jahre Schlossgeschichte – man darf gespannt sein, was noch zu Tage kommt.